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Die Texte werden im intimen Kreis einer Mailingliste besprochen, vom Autor eventuell nochmals überarbeitet und dann auf der Webseite präsentiert.

Aus den eingereichten Texten wählen die Gruppenmitglieder den Textsieger des Monats.
Und diesen Textsieger bringen wir regelmässig hier im M@G:

Juni-Thema:
"Spurensuche"
Textsieger

Juli-
Thema:

"Nur eine
Nacht"
Textsieger







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Spalte 2

Gewusst wo!



Ich sehe was, was du nicht siehst

Ich habe schon wieder solche Spuren gesehen. Ich bin mir ganz sicher, und schließlich bin ich nicht blöd. Alt vielleicht, und meinetwegen etwas sonderbar, wie die Leute gern behaupten, aber nicht blöd.
Natürlich darf ich niemandem davon erzählen, sonst werden sie mich nicht mehr nach Hause lassen und mich stattdessen in eines dieser Heime stecken, für die Alten und Irren. Alt bin ich, das sagte ich ja schon, aber irr bin ich nicht. Mein Kopf funktioniert noch ganz gut, wenngleich ich ab und an etwas vergesslich bin. Aber wer ist das nicht, in meinem Alter.

Also, ich habe sie wirklich gesehen. Vorgestern abend tauchten sie zum ersten Mal auf, aber da habe ich mir noch nichts dabei gedacht. Ich habe sie nur eine Weile angeschaut, mich eine alte Närrin gescholten und dann mit dem Messer darüber geschabt, bis sie nicht mehr zu sehen waren und ich zu viel Butter für mein Brot hatte. Die wollte ich möglichst gleichmäßig auf der Scheibe verteilen, und darüber habe ich sie dann vergessen. Ich bin eben wirklich nicht mehr die Jüngste.

Und gestern morgen waren sie wieder da. Winzig kleine Fußspuren. Da gibt es nichts zu lachen! Ich weiß genau, was ich gesehen habe. Diesmal habe ich sie nicht weggeschmiert, sondern sie mir näher angeschaut. Sie waren ganz klein, nicht länger als mein Fingernagel. Ich habe meine Leselupe geholt, um besser sehen zu können. Es waren eindeutig Abdrücke von Füßchen, mit je fünf winzigen nackten Zehen, die quer über meine Butter gelaufen sind. Eigentlich eine Dreistigkeit, schließlich hatte ich vor, noch davon zu essen.

Ich habe weiter gesucht, mit meinem Vergrößerungsglas, wirklich eine nützliche Erfindung. Auf der Tischplatte konnte ich direkt neben der Butterdose erkennen, dass der Besitzer der Füßchen noch ein paar rutschige Schritte gemacht hat, bevor das Fett sich von seinen Sohlen löste. Kurz vor dem Brotkorb verloren sich die Spuren ganz. Allerdings könnte ich darauf wetten, dass jemand an meinem Stuten genagt hat.

Ich muss ganz schön senil ausgesehen haben, wie ich da über meinem Frühstückstisch hing und mit der Lupe herumhantierte. Zum Glück konnten mich die Nachbarn nicht beobachten, sonst hätten sie wieder getuschelt. Aber was soll´s, das braucht mich nicht zu kümmern. Ich hab mein Leben, sie haben ihres.

Ich habe die ganze Küche, das Wohnzimmer und später auch die Schlafkammer und mein Bad abgesucht. Und siehe da: an meinem Alpenveilchen hat jemand in der Erde gewühlt, ich habe die Krümel auf der Fensterbank entdeckt. Ich habe sie nicht weggefegt, sie sind ein zu deutlicher Beweis. Ebenso wie die Kratzspuren an meiner Seife. Es sieht so aus, als sei dort jemand abgerutscht und habe beim Versuch, sich festzuhalten, Kerben in die weiche Substanz geschlagen.

Aber die Krönung ist die Tatsache, dass meine Wattedose geplündert wurde. Der Deckel lag daneben, und meine Wattebäuschen sind fort. Ich habe überall nachgesehen, sie aber nicht wiedergefunden. Und ich könnte schwören, dass jemand die Q-Tips in ihrer Dose durcheinander gebracht hat. Als wäre damit Mikado gespielt worden.

Erst wollte ich meine Schwiegertochter rufen, damit sie sich das ansieht, aber das habe ich lieber gelassen. Ich kenne das längst, sie schimpft mich dann eine senile Alte und behauptet, ich hätte meine Medikamente vergessen. So ein Unsinn, ich vergesse doch nicht meine Medikamente. Ich nehme sie vorsätzlich nicht. Natürlich darf auch das keiner wissen, sie würden es auf der Stelle gegen mich verwenden, zu gern hätten sie mich aus dem Haus, damit sie die Einliegerwohnung selber nutzen können. Früher bekamen die Eltern das Altenteil, heute die Kammern unterm Dach, und zu allen Zeiten sind sie mehr Ballast als Nutzen. So ist das eben im Leben.

Gestern abend wollte ich dann den Test machen. Ich habe ein Kilo Mehl genommen und es mit Hilfe eines Siebes überall auf dem Fußboden verteilt, auch auf dem Tisch und der Anrichte. Wenn jetzt wieder jemand Kleines das Bedürfnis hätte, barfuss durch mein Essen zu latschen oder mir meine Kosmetika zu stehlen, dann würde es dabei eindeutige Spuren hinterlassen, und hoffentlich würden sie mich zu seinem Versteck führen. Dann hätten wir mal gesehen, wer hier wem durch die Butter trampelt.

Leider hat meine Schwiegertochter mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es wurde ziemlich unangenehm. Das dumme Ding kam nämlich gerade in dem Moment hereingeplatzt, als ich mich, mit einem Bettlaken getarnt, unter dem Küchentisch auf die Lauer legen wollte. Angeblich wollte sie mir einen Rest Kuchen vom Nachmittagskaffee raufbringen. Wer´s glaubt! Spionieren wollte sie, sonst nichts. Ich konnte sie noch nie so richtig ausstehen; sie mich wohl auch nicht.

Prompt hat diese hysterische Ziege meinen Sohn heraufzitiert, damit er sich selbst vom Geisteszustand seiner Mutter überzeugen sollte. Ich hätte sie würgen können, natürlich habe ich kein Wort von den Fußspuren gesagt. Es war auch so schlimm genug. Sie haben sich beide fürchterlich aufgeregt, ich hab den Mund gehalten, aber genützt hat es mir nicht. Man stelle sich vor, der Tag endete mit einer Fahrt ins Krankenhaus. Sie haben mich auf die Psycho-Station verfrachtet, zur Beobachtung, für zwei, drei Tage, wie sie sagten. Meinetwegen, Hauptsache, ich komm bald wieder nach Hause. Aus mir kriegen die nichts raus, ich werde kein Wort sagen, die halten mich doch ohnehin für verrückt.

Das Essen ist hier übrigens gar nicht so schlecht. Aber die Hygiene lässt doch etwas zu wünschen übrig. Man stelle sich vor, an meiner Tasse waren Handabdrücke! Klitzeklein, nicht mal so groß wie der Nagel meines kleinen Fingers, aber dafür umso schmutziger. Scheint fast so, als hätte da jemand zuvor in der Marmelade herumgepatscht. Hätte ich doch nur meine Lupe hier...


(c) Iris ter Haar, Juni 2001

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